Warum Stationenlernen mit drei Differenzierungsstufen?

In meinem Unterricht setze ich Stationenlernen seit Jahren ein, weil es flexibel, schülerzentriert und gut zu differenzieren ist. Besonders bewährt hat sich eine klare Struktur mit drei Differenzierungsstufen: Basis, Anspruch und Herausforderung. Diese Stufen ermöglichen, dass alle Schülerinnen und Schüler an denselben Themen arbeiten können, aber auf unterschiedlichen Anforderungsniveaus. So bleibt die Unterrichtsorganisation übersichtlich, und ich kann gezielt fördern, ohne einzelne SuS zu stigmatisieren.

Grundprinzipien, die ich immer befolge

Bevor ich eine Stunde plane, kläre ich drei Dinge für mich:

  • Welches Lernziel steht im Zentrum (Kompetenzorientierung)?
  • Welche Teilkompetenzen lassen sich an Stationen bearbeiten?
  • Wie organisiere ich den Raum, die Materialien und das Zeitmanagement, damit die Differenzierung reibungslos läuft?
  • Diese Fragen helfen mir, sinnvolle Aufgaben für die drei Stufen zu entwickeln und die Arbeitszeit realistisch einzuschätzen.

    Beispielthema: "Das Erzählen – Erzählperspektive und Figurenhandlung" (3.–4. Klasse / Sek I leicht adaptierbar)

    Ich beschreibe hier eine exemplarische Stunde mit vier Stationen. Jede Station bietet Aufgaben auf drei Niveaus: Stufe A (Basis), Stufe B (Erweitert), Stufe C (Herausforderung). Die Auswahl kann durch die SuS selbst oder durch meine Empfehlung erfolgen.

    Stationenübersicht und Materialien

    StationInhaltMaterialien
    Station 1Erzählperspektive erkennenKurztexte, Markerstifte, Aufgabenblätter
    Station 2Figurenhandeln analysierenIllustrationen, Karten mit Fragen, Arbeitsblatt
    Station 3Eigene Erzählszene schreibenSchreibheft, Wörterlisten, Tablet optional
    Station 4Peer-Feedback & ReflexionFeedbackbögen, Timer, Bewertungsraster

    Beispielaufgaben pro Differenzierungsstufe

    Ich formuliere die Aufgaben so, dass sie auf einem gemeinsamen Konzept aufbauen, aber unterschiedliche kognitive Anforderungen stellen:

  • Stufe A (Basis): Identifiziere die Erzählperspektive in kurzen Texten. Unterstreiche Schlüsselstellen und markiere mit einem Symbol, wer spricht. Schreibe eine einfache Szene aus der Ich-Perspektive (6–8 Sätze).
  • Stufe B (Erweitert): Vergleiche zwei Perspektiven desselben Ereignisses (Er-/Sie-Form vs. Ich-Form). Notiere, wie sich die Wahrnehmung verändert. Schreibe eine Szene aus der 3. Person und benutze drei direkte/indirekte Redewendungen.
  • Stufe C (Herausforderung): Analysiere, wie die Perspektive die Stimmung beeinflusst. Formuliere Hypothesen zu alternativen Perspektiven und schreibe eine komplexere Szene (12–15 Sätze) mit Figurenentwicklung, innerem Monolog und variabler Erzählperspektive.
  • Zeitplanung und Ablauf

    In der Regel plane ich eine Doppelstunde (90 Minuten) oder zwei aufeinanderfolgende Lektionen. Ein möglicher Ablauf:

    PhasenDauer
    Einstieg & Lernziele vorstellen10 min
    Stationenarbeit (rotierende Gruppen)60 min (3 × 20 min pro Station)
    Feedback-Runde / Sammeln der Ergebnisse15 min
    Reflexion & Hausaufgabe5 min

    Bei heterogenen Gruppen passe ich die Arbeitszeiten oder die Anzahl Stationen an. Manche Gruppen brauchen mehr Zeit an einer Schreibstation, andere weniger.

    Organisation im Klassenzimmer

    Ich achte auf klare Kennzeichnungen: Jede Station hat ein Schild mit Nummer, kurzer Anleitung und Zeitvorgabe. Die drei Differenzierungsstufen sind farblich markiert (z. B. grün = A, blau = B, rot = C). Das hilft den SuS, schnell zu entscheiden und vermindert Nachfragen.

    Für die Gruppeneinteilung nutze ich verschiedene Modelle: feste Stammgruppen, die sich nach Kompetenzen zusammensetzen, oder flexible Gruppen, die anhand eines kurzen Selbsttests zur Wahl der Stufe kommen. Beide Varianten haben ihren Platz – bei neuen Themen bevorzuge ich fixe Gruppen, bei längeren Projekten lasse ich die SuS mehr Wahlfreiheit.

    Digital vs. Analog – was wofür?

    Ich kombiniere beides: Analoge Materialien eignen sich besonders für kreatives Schreiben und für schnelle Markierungen. Digitale Tools (z. B. Padlet, Google Docs, LearningApps) nutze ich, wenn ich kollaboratives Arbeiten oder schnelle formative Rückmeldungen möchte. Bei Station 3 können Tablets z. B. Schreibanregungen anzeigen oder Wörterbücher integrieren. Wichtig ist, vorher Technik und Zugang zu prüfen — nichts ist frustrierender als eine geplante digitale Station, die aus technischen Gründen ausfällt.

    Formative Bewertung und Feedback

    Statt einer summativen Note setze ich auf formatives Feedback. An jeder Station gibt es ein kurzes Feedback-Element:

  • Selbstcheck: Ein kurzes Kästchenformular, ob das Ziel erreicht wurde.
  • Peer-Feedback: Bei Station 4 geben sich SuS Rückmeldung mit einem vorgegebenen Raster (Was hat mir gefallen? Was könnte verbessert werden? Ein konkreter Tipp.).
  • Lehrerfeedback: Ich sammle gezielt Produkte ein oder beobachte und notiere kurze Anmerkungen auf Feedback-Karten.
  • Diese Rückmeldungen verwende ich, um gezielte Förderangebote in der nächsten Stunde zu planen.

    Materialvorbereitung und Differenzierungsvorlagen

    Für effiziente Vorbereitung habe ich auf meiner Plattform Vorlagen, die ich immer wieder anpasse: Aufgabenblätter in drei Schwierigkeitsgraden, Checklisten für Peer-Feedback, Bewertungsraster und Zeitpläne. Ein Tipp: Erstelle ein Set von Musteraufgaben für jede Stufe, das du in verschiedenen Themen wiederverwenden kannst. Das spart Zeit und sorgt für Kontinuität.

    Reflexionsfragen für die eigene Praxis

    Zum Abschluss gebe ich mir und Ihnen gern diese Reflexionsfragen mit:

  • Wurde das Lernziel erreicht – für die Mehrheit und für einzelne SuS?
  • Welche Stationen liefen wie geplant, welche nicht und warum?
  • War die Wahlfreiheit der SuS passend oder entstanden Fehlauswahlen?
  • Welche Anpassungen an Zeit, Material oder Gruppenstruktur wären sinnvoll?
  • Diese Fragen nutze ich, um meine nächste Stationenstunde gezielter vorzubereiten.

    Praxisbeispiel kurz zusammengefasst

    Letzte Woche habe ich das Thema "Erzählperspektive" mit einer 4. Klasse durchgeführt. Die meisten Gruppen arbeiteten sehr konzentriert an Station 3 (Schreiben), weil sie die freie Wahl hatten, wie ausführlich sie schreiben wollten. Eine Gruppe entschied sich für Stufe C und verfasste eine Szene mit innerem Monolog – das hat zu sehr guten Diskussionen beim anschließenden Peer-Feedback geführt. Schwächere Lernende schätzten die klaren, kurzen Aufgaben in Stufe A und waren stolz, ihre Texte zu präsentieren. Das zeigt: Mit einer durchdachten Dreistufigkeit lässt sich sowohl Motivation als auch Kompetenzentwicklung fördern.