Feedbackkultur einführen: Ein Stufenplan für Schulen und Klassen, die voneinander lernen wollen — das ist ein Thema, das mir seit Jahren am Herzen liegt. In meinem Unterricht und auf Unterrichtsideen habe ich erlebt, wie stark sich Lernprozesse verändern, wenn Feedback nicht nur als punktuelle Rückmeldung, sondern als fester Bestandteil des Unterrichts gelebt wird. Im folgenden Stufenplan beschreibe ich, wie ich Schritt für Schritt eine nachhaltige Feedbackkultur aufbaue — auf Schul- und auf Klassenebene.
Warum eine Feedbackkultur?
Feedback ist nicht nur Kritik oder Bewertung. Für mich bedeutet eine echte Feedbackkultur, dass Lernende und Lehrpersonen kontinuierlich Rückmeldungen geben, erhalten und daraus Handlungen ableiten. Wenn Feedback klar, konkret und vorhersagbar ist, fördert es Selbstwirksamkeit, motiviert und verbessert Kompetenzen. Eine einheitliche Kultur verhindert Missverständnisse und schafft Vertrauen.
Grundprinzipien, die ich vorab kläre
Bevor ich mit konkreten Massnahmen starte, lege ich gemeinsam mit dem Team folgende Prinzipien fest:
Klarheit: Feedback bezieht sich auf Lernziele und konkrete Kriterien, nicht auf die Person.Transparenz: Alle wissen, wann und wofür Feedback gegeben wird.Vielfalt: Feedback passiert mündlich, schriftlich, peer-to-peer und durch Selbsteinschätzung.Verbindlichkeit: Feedback ist Teil der Unterrichtsplanung und nicht zufällig.Stufe 1: Sensibilisieren und Basis schaffen (1–2 Monate)
Im ersten Schritt geht es vor allem um Bewusstseinsbildung und die Schaffung einer gemeinsamen Sprache.
Workshops für das Kollegium: Ich organisiere kurze Fortbildungen (60–90 Minuten) zu Grundlagen: wirksame Rückmeldung, Sandwichtechnik, zielorientiertes Feedback und Growth Mindset. Hilfreich sind Materialien von Hattie oder praxisnahe Inputs von Plattformen wie ZUM oder Edutopia.Schulinterne Leitlinien: Gemeinsam entwerfen wir ein einseitiges Dokument mit Definitionen und Beispielen („Was ist nützliches Feedback?“).Schülergespräche: Ich erkläre den Lernenden, was Feedback für ihre Entwicklung bedeutet und hole Erwartungen und Ängste ein.Einfacher Kommunikationskanal: Wir nutzen ein klares Signal im Unterricht — z. B. ein Feedback-Icon auf dem Board oder ein digitales Tool wie Padlet, in dem Feedback gesammelt wird.Stufe 2: Feedbackformate einführen (2–4 Monate)
Jetzt geht es darum, konkrete Formate zu etablieren, die sich einfach in den Alltag integrieren lassen.
Peer-Feedback-Routinen: Ich beginne mit klaren, strukturierten Aufgaben (z. B. Kurztexte, Präsentationen). Die Schülerinnen und Schüler nutzen Feedback-Checklisten mit 3–4 Kriterien.Selbsteinschätzung: Vor jeder Lernaufgabe füllen Lernende kurz ein Selbsteinschätzungsformular aus — Was kann ich gut? Was möchte ich verbessern?Mini-Konferenzen: Alle zwei Wochen führe ich 5-Minuten-Lernkonferenzen mit einzelnen Schülerinnen oder Kleingruppen durch, um Fortschritte zu besprechen.Digitale Tools: Ich nutze Microsoft Teams oder Google Classroom für schriftliches, zeitunabhängiges Feedback. Audiofeedback (z. B. Loom oder Vocaroo) hat sich bei mir als sehr motivierend erwiesen.Stufe 3: Feedback sichtbar machen und dokumentieren (3–6 Monate)
Feedback muss nachvollziehbar sein, damit Lernende es aktiv nutzen können. Deshalb dokumentiere ich Rückmeldungen systematisch.
| Element | Was ich mache | Nutzen |
| Feedback-Mappe | Jede Schülerin/jeder Schüler führt eine Mappe (digital oder analog) mit Feedback und Fortschritten | Verlauf sichtbar, motiviert zur Reflexion |
| Feedback-Log | Kurze Einträge: Datum, Thema, 1–2 konkrete Handlungspunkte | Erleichtert Transfer in die nächste Aufgabe |
| Rubrics | Klare Kriterienraster für komplexe Aufgaben | Erhöht Fairness und Verständlichkeit |
Stufe 4: Feedback in Lernprozesse integrieren (laufend)
Nun wird Feedback Teil der Lernsequenz — nicht nur Nachbereitung.
Feed-up, Feedback, Feedforward: Ich beginne jede neue Einheit mit einem Feed-up (Was ist das Ziel?), gebe währenddessen Feedback und schliesse mit Feedforward (konkrete nächste Schritte für die Lernenden).Peer-Teaching: Lernende bereiten kurze Inputs vor und erhalten strukturiertes Feedback — das stärkt Verantwortung und Fachwissen.Fehler als Lernchance: Ich setze gezielt Aufgaben mit produktivem Scheitern ein, spreche offen über Strategien zur Fehleranalyse.Stufe 5: Schulweite Implementierung und Rollenverteilung (6–12 Monate)
Für dauerhafte Veränderung braucht es Unterstützung auf Schulleitungsebene und klare Rollen.
Leitung und Steuergruppe: Ich schlage vor, eine kleine Steuergruppe zu bilden (zwei Lehrpersonen, Schulleitung, gegebenenfalls Schulpsychologin), die Fortschritte begleitet.Mentoring: Erfahrene Lehrpersonen coachen Kolleginnen und Kollegen, Hospitationen werden regelmässig angeboten.Fortlaufende Evaluation: Vierteljährliche Teamsitzungen zur Reflexion: Welche Formate funktionieren? Wo gibt es Hindernisse?Praktische Hilfsmittel und Vorlagen, die ich nutze
Aus meiner Praxis heraus empfehle ich folgende einfache Werkzeuge, die sich schnell adaptieren lassen:
Checklisten mit 3 klaren Kriterien pro Aufgabe (z. B. Inhalt, Sprache, Struktur).Peer-Feedback-Blätter mit der Formel: „Was gefällt mir? Was vermisse ich? Ein kleiner Tipp.“Rubrics auf einer Skala von 1–4 mit konkreten Beschreibungen pro Stufe.Digitale Ordner in Teams/Drive für Feedback-Logs und Reflexionen.Typische Stolpersteine und wie ich sie umgehe
Ausprobieren bedeutet auch, Fehler zu machen. Hier einige Probleme, die mir begegnet sind, und Lösungen:
Problem: Feedback bleibt allgemein („Gut gemacht“). Lösung: Ich zwinge zu konkreten Formulierungen — mindestens ein positiver Punkt und ein klarer Verbesserungsvorschlag.Problem: Zeitmangel. Lösung: Kurzfeedback statt langer Textblöcke; rotierende Peer-Gruppen teilen die Arbeit; Audiofeedback spart Korrekturzeit.Problem: Ablehnung durch Lernende (oder Eltern). Lösung: Transparente Kommunikation, Beispiele zeigen und Erfolge sichtbar machen.Messbare Indikatoren für Erfolg
Wie merke ich, dass die Feedbackkultur wirkt? Ich beobachte folgende Indikatoren:
Höhere Qualität der Überarbeitungen: Lernende nehmen Hinweise auf und verbessern systematisch.Aktivere Selbstregulation: Schülerinnen und Schüler formulieren eigene Lernziele und reflektieren Fortschritte.Positive Unterrichtsatmosphäre: Mehr Dialog, weniger Angst vor Fehlern.Teamübergreifende Verbreitung: Kolleginnen adaptieren Formate, Nachfrage nach Ressourcen steigt.Meine letzten Tipps
Start klein, iterativ und sichtbar. Ich beginne selten mit der ganzen Schule, sondern mit Pilotklassen — ideal ist eine Mischung aus verschiedenen Stufen. Dokumentiert Erfolge und teilt Materialien auf Plattformen wie Unterrichtsideen, damit andere profitieren. Und: Geduld — eine Kultur braucht Zeit.
Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen Vorlagen (Peer-Feedback-Blatt, Rubric-Beispiele, Selbsteinschätzungsformular) zur Verfügung stellen oder ein kurzes Fortbildungsformat vorschlagen. Schreiben Sie mir gern über Unterrichtsideen — Austausch ist einer der besten Wege, um diese Arbeit weiterzuentwickeln.